Medizinprodukte

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Viele Mitgliedsfirmen von Pharma Deutschland bieten neben Arzneimitteln auch stoffliche Medizinprodukte, dentale Medizinprodukte oder Software an. Pharma Deutschland engagiert sich seit vielen Jahren im Medizinproduktebereich – sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene.

[glossar] Was ist ein Medizinprodukt? :::

Ein Medizinprodukt ist gemäß Artikel 2 der Verordnung (EU) 2017/745 über Medizinprodukte (MDR, Medical Device Regulation) ein Instrument, ein Apparat, ein Gerät, eine Software, ein Implantat, ein Reagenz, ein Material oder ein anderer Gegenstand, der für Menschen bestimmt ist und allein oder in Kombination einen oder mehrere spezifische medizinische Zwecke erfüllen soll. Medizinprodukte können beispielsweise Produkte wie Krankenhausbetten, Zahnersatz, Brillen, Kompressionsstrümpfe, Tupfer, Spritzen, Implantate, Herzschrittmacher, Röntgengeräte oder auch sogenannte stoffliche Medizinprodukte wie z. B. ein Meerwassernasenspray sein. [/glossar]

[glossar] Was sind die Unterschiede zwischen einem Medizinprodukt und einem Arzneimittel? :::

Arzneimittel und Medizinprodukte erreichen beide eine medizinische Zweckbestimmung. Sogenannte stoffliche Medizinprodukte und Arzneimittel ähneln sich sehr von der Darreichungsform beziehungsweise der Produktaufmachung, sie unterscheiden sich aber durch die Art und Weise, wie sie ihre medizinische Zweckbestimmung/en (Wirkung) erreichen. Arzneimittel wirken pharmakologisch, immunologisch oder metabolisch. Die Hauptwirkung eines Medizinprodukts dagegen erfolgt primär weder pharmakologisch oder immunologisch noch metabolisch, sondern mechanisch, physikalisch, chemisch oder physikochemisch.

Die Begriffe „pharmakologisch“, „immunologisch“ und „metabolisch“ werden weder in der Verordnung (EU) 2017/745 über Medizinprodukte (MDR) noch in der Richtlinie 2001/83/EG für Arzneimittel sowie ihre deutsche Umsetzung im Arzneimittelgesetz (AMG) definiert. Diese Begriffe werden in der Leitlinie MDCG 2022-5 rev. 1 der Koordinierungsgruppe Medizinprodukte über Abgrenzung zwischen Arzneimittel und Medizinprodukte definiert. Leitlinie sind nicht rechtlich verbindlich. Folgende Definitionen sind in der MDCG-Leitlinie 2022-5 rev. 1 enthalten:

  • Unter dem Begriff „pharmakologisch“ versteht man eine typischerweise auf molekularer Ebene stattfindende Wechselwirkung zwischen einer Substanz oder ihren Metaboliten und einem Bestandteil des menschlichen Körpers, die zu einer Auslösung, Verstärkung, Verringerung oder Blockierung physiologischer Funktionen oder pathologischer Prozesse führt.

    Beispiele für eine Wirkung auf pharmakologischem Wege:

    - Wechselwirkung zwischen einem Liganden (z. B. Agonist, Antagonist) und einem Rezeptor; 
    - Wechselwirkung zwischen einer Substanz und Membranlipiden;
    - Wechselwirkung zwischen einer Substanz und Komponenten des Zytoskeletts

  • Unter dem Begriff „immunologisch“ ist eine Wirkung zu verstehen, die von einem Stoff oder seinen Metaboliten auf den menschlichen Körper initiiert und vermittelt oder ausgeübt wird (d. h. Stimulierung, Modulation, Blockierung, Ersatz) durch Zellen oder Molekülen, die an der Funktion des Immunsystems beteiligt sind (z. B. Lymphozyten, Toll-like Rezeptoren, Komplementfaktoren, Zytokine, Antikörper).

    Beispiele für eine immunologische Wirkung sind z.B.:

    - Modulation einer Immunantwort (z. B. Unterdrückung, Blockierung, Aktivierung, Verstärkung);
    - Ersatz, Rekonstitution oder Einführung von natürlichen oder veränderten Immunzellen oder Molekülen;
    - Auslösung einer Immunreaktion gegen die Zielgewebe, -zellen oder -antigene durch immunspezifische Erkennung; 
    - zielgerichtete Wirkung anderer verbundener oder gekoppelter Stoffe.

  • Unter dem Begriff „metabolisch“ versteht man eine Wirkung eines Stoffes oder seiner Metaboliten, die eine Veränderung, einschließlich des Anhaltens, des Beginns oder der Änderung der Geschwindigkeit, des Ausmaßes oder der Art eines biochemischen physiologischen oder pathologischen biochemischen Prozesses, der an der Funktion des menschlichen Körpers beteiligt ist und dafür zur Verfügung steht.
     
  • Unter dem Begriff „biochemische Prozesse“ sind Reaktionen zu verstehen, die dem menschlichen Körper zur Verfügung stehen Körper zur Verfügung stehen, einschließlich anaboler und kataboler Reaktionen und des Transports von Stoffen zwischen Kompartimenten. Eine Wechselwirkung mit einem bekannten Rezeptor ist keine Voraussetzung für eine metabolische Wirkung.

    Beispiele für eine metabolische Wirkung sind:

    - Wasserbewegung aufgrund des aktiven Transports von Elektrolyten, z. B. durch Na/K ATPase-Pumpen; 
    - Hemmung der körpereigenen Enzyme, einschließlich der Verdauungsenzyme; 
    - Veränderung des Elektrolytgleichgewichts im Serum.

Stoffliche Medizinprodukte sind beispielsweise Meerwasser-Nasensprays, Lutschtabletten, Heilerden Wärme,-Therapie Pad, Produkte gegen Sodbrennen, bestimmte Sättigungspräparate sowie Abführ- oder Kopflaus-Mittel. [/glossar]

[glossar] Wie erkennt der Patient ein Medizinprodukt? Was bedeutet das CE-Kennzeichen auf einem Medizinprodukt? :::

Ein Patient kann ein Medizinprodukt u.a. anhand des CE-Kennzeichens erkennen.

Bevor ein neues Medizinprodukt auf den Markt gebracht werden kann, bedarf es der Aufbringung eines CE-Kennzeichens. Mit diesem erklärt der Hersteller, dass sein Produkt den Grundlegenden Anforderungen der Verordnung (EU) 2017/745 (MDR) entspricht. Mit der Einhaltung dieser Grundlegenden Anforderungen wird der Nachweis der Funktions- und Leistungsfähigkeit geführt und bestätigt, dass das vorgeschriebene Konformitätsbewertungsverfahren erfolgreich durchgeführt worden ist, das Produkt also der Patientensicherheit genügt.

Um das CE-Kennzeichen aufbringen zu dürfen, muss das Medizinprodukt im Rahmen eines Konformitätsbewertungsverfahrens seine Übereinstimmung mit den dargestellten Anforderungen und seine Sicherheit in der Anwendung am Patienten belegen. Je nach Art des Medizinprodukts schreibt die MDR hierzu unterschiedliche Verfahren und Voraussetzungen vor. Die Voraussetzungen unterscheiden und erhöhen sich mit dem vom Produkt ausgehenden Gefahrenpotenzial. Hersteller sind verpflichtet, ein spezielles Qualitätsmanagementsystem einzurichten, das unter anderem sicherstellt, dass für jedes Produkt ein Risikomanagementverfahren zur Minimierung von Risiken sowie eine klinische Bewertung durchgeführt werden.

Medizinprodukte mit CE-Kennzeichnung können grundsätzlich im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum frei in Verkehr gebracht werden. Sie unterliegen jedoch weiterhin der Überwachung durch die zuständigen nationalen Behörden sowie einem Vigilanzsystem, das dazu dient, nachträglich erkannte Risiken zu erfassen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen.

Je nach Risikoklasse kann das CE-Kennzeichen von einer vierstelligen Nummer begleitet sein, die die Benannte Stelle identifiziert, die das Produkt geprüft hat. Darüber hinaus müssen die Hersteller einen Hinweis erbringen, dass es sich bei dem Produkt um ein Medizinprodukt handelt. Dies kann auch durch Anbringen des Symbols „MD“ erfolgen. [/glossar]

[glossar] Welche Medizinprodukte sind freikäuflich? :::

Grundsätzlich sind alle Medizinprodukte, die sich im Verkehr befinden, freiverkäuflich. Dies bedeutet, dass Medizinprodukte ungeachtet einer Bindung an einen Vertriebskanal, insbesondere an Apotheken, auch im Versandhandel abgegeben werden. Es gibt zu diesem Grundsatz aber zahlreiche Ausnahmen (siehe die folgenden Fragen und Antworten). [/glossar]

[glossar] Welche Medizinprodukte sind verschreibungspflichtig? :::

Mit Stand vom 29. Januar 2025 regelt §1 der Verordnung zur Regelung der Abgabe von Medizinprodukten (Medizinprodukte-Abgabeverordnung – MPAV) die Verschreibungspflicht. Verschreibungspflichtige Medizinprodukte dürfen nur bei Vorliegen einer ärztlichen oder zahnärztlichen Verschreibung an andere Personen als Ärzte und Zahnärzte abgegeben werden. Verschreibungspflichtig sind Medizinprodukte, die nach der Zweckbestimmung zur Anwendung durch Laien vorgesehen sind und

  1. Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen enthalten, die der Verschreibungspflicht nach der Arzneimittelverschreibungsverordnung unterliegen oder auf die solche Stoffe aufgetragen sind, oder
  2. in Anlage 1 der MPAV aufgeführt sind. Mit Stand vom 20. Januar 2025 ist nur ein Produkt in der Anlage 1 inkludiert: Oral zu applizierende Sättigungspräparate auf Cellulosebasis mit definiert vorgegebener Geometrie – zur Behandlung des Übergewichts und zur Gewichtskontrolle.

Die Verschreibungspflicht gilt nicht, soweit ein verschreibungspflichtiges Medizinprodukt an andere Hersteller von Medizinprodukten oder deren Bevollmächtigte oder Händler von Medizinprodukten abgegeben wird. [/glossar]

[glossar] Welche Medizinprodukte sind apothekenpflichtig? :::

Mit Stand vom 29. Januar 2025 regelt §2 der Verordnung zur Regelung der Abgabe von Medizinprodukten (Medizinprodukte-Abgabeverordnung – MPAV) die Apothekenpflicht. Apothekenpflichtige Medizinprodukte dürfen berufs- und gewerbsmäßig für den Endverbrauch nur durch Apotheken in den Verkehr gebracht werden. Apothekenpflichtig sind Medizinprodukte

  1. die zur Anwendung durch Laien vorgesehen sind und Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen enthalten, die der Verschreibungspflicht nach der Arzneimittelverschreibungsverordnung unterliegen oder auf die solche Stoffe aufgetragen sind, oder
  2. die zur Anwendung durch Laien bestimmt sind, soweit sie Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen enthalten, die nach der Verordnung über apothekenpflichtige und freiverkäufliche Arzneimittel apothekenpflichtig sind, oder
  3. die in Anlage 2 der MPAV aufgeführt sind. Mit Stand vom 29. Januar 2025 ist nur ein Produkt in der Anlage 2 aufgelistet: Hämodialysekonzentrate.

Die Apothekenpflicht gilt ausschließlich für die Abgabe an den Endverbraucher. [/glossar]

[glossar] Wie werden Medizinprodukte in der EU reguliert? :::

Das Medizinprodukterecht ist sehr stark europäisch geprägt und wurde längere Zeit durch drei EU-Richtlinien, welche den Rechtsrahmen für die nationale Ausgestaltung gebildet haben, bestimmt.

Die europäischen Richtlinien wurden mit dem Medizinproduktegesetz und der auf seiner Grundlage erlassenen Medizinprodukte-Verordnung in nationales Recht umgesetzt. Das Medizinprodukterecht wurde aber mit der Verordnung (EU) 2017/745 (MDR) neugestaltet. Der entscheidende Unterschied zu den bislang geltenden Richtlinien besteht darin, dass die Verordnung ohne weitere Transformation in nationales Recht unmittelbar in den Mitgliedstaaten Geltung hat. Die MDR gilt seit dem 26. Mai 2021.

Das deutsche Recht wurde mit dem Medizinprodukte-EU-Anpassungsgesetz (MPEUAnpG) an die MDR angepasst. Kernstück dieses Gesetzes ist Artikel 1: Gesetz zur Durchführung unionsrechtlicher Vorschriften betreffend Medizinprodukte (Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz – MPDG). Darüber hinaus mussten die zahlreichen deutschen Medizinprodukte-Verordnungen an die MDR angepasst und neue deutsche Verordnungen erlassen werden. [/glossar]

[glossar] Wie werden Medizinprodukte klassifiziert und welche Kriterien bestimmen diese Klassifizierung? :::

Medizinprodukte werden unter Berücksichtigung ihrer Zweckbestimmung und der damit verbundenen Risiken in die Klassen:

  • I (niedriges Risiko);
  • IIa, IIb (mittleres Risiko) und
  • III (hohes Risiko) eingestuft.

Medizinprodukte der Klasse I können darüber hinaus in die speziellen Risikoklassen Is (steril), Im (mit Messfunktion) und Ir (wiederverwendbare chirurgische Instrumente) eingestuft werden.

Folgende Merkmale des Medizinprodukts werden bei der Klassifizierung berücksichtigt:

  • Dauer der Anwendung: vorübergehend, kurzzeitig, langzeitig;
  • Invasivität: Anwendung außerhalb, auf oder innerhalb des Körpers;
  • Aktivität: Übertragung von Energie auf den menschlichen Körper (mit Veränderung), Übertragung von Stoffen auf den Körper oder Austausch mit ihm.

Die Klassifizierung erfolgt gemäß 22 Klassifizierungsregeln, die in Anhang VIII MDR festgelegt sind. Im Vergleich mit dem alten Recht (Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG) haben sich einige Klassifizierungsregeln geändert und führen jetzt zu anderen (höheren) Klassen. Die 22 Klassifizierungsregeln werden in 4 Kategorien unterteilt: nicht invasive Produkte, invasive Produkte, aktive Produkte und besondere Regeln.

Wenn unter Berücksichtigung der vom Hersteller festgelegten Zweckbestimmung auf ein und dasselbe Produkt mehrere Regeln oder innerhalb derselben Regel mehrere Unterregeln anwendbar sind, so gilt die strengste Regel/Unterregel, sodass das Produkt in die jeweils höchste Klasse eingestuft wird. [/glossar]

[glossar] Welche Rolle spielt eine „Benannte Stelle“ in der EU bei der Zertifizierung von Medizinprodukten? :::

Die Konformitätsbewertung bezeichnet nach Artikel 2 Nr. 40 der Verordnung (EU) 2017/745 über Medizinprodukte (MDR) das Verfahren, nach dem festgestellt wird, ob die Anforderungen der MDR an ein Produkt erfüllt worden sind.

Gemäß Artikel 2 Nr. 42 MDR bezeichnet der Begriff „Benannte Stelle“ eine Konformitätsbewertungsstelle, d.h. eine Stelle, die Konformitätsbewertungstätigkeiten einschließlich Kalibrierungen, Prüfungen, Zertifizierungen und Kontrollen durchführt und dabei als Drittpartei tätig wird, die gemäß der MDR benannt wurde.

Diese privatrechtlichen Organisationen sind unabhängige Zertifizierungsstellen und werden von der nationalen Akkreditierungsstelle zur Prüfung von Medizinprodukten benannt. Im Rahmen des Akkreditierungsprozesses müssen sie ihre Fachkompetenz zur Aufgabenerfüllung nachweisen. Um eine Benennung nach der MDR zu erhalten, müssen alle Benannten Stellen in einem sogenannten Neubewertungsverfahren – einem sehr komplexen und zeitlich aufwändigen Verfahren, das einen Zeitraum von 18 Monaten umfasst – erneut von nationalen und europäischen Behörden überprüft werden (siehe hierzu auch Kapitel IV Benannte Stellen Artikel 35 ff. MDR). Es hat sich gezeigt, dass der Prozess der Notifizierung der Benannten Stellen nach dem neuen Recht viel komplexer und langwieriger ist, als erwartet wurde.

Mit Stand vom 15. Januar 2025 sind insgesamt 50 Konformitätsbewertungsstellen als Benannte Stellen nach der MDR benannt. Nähere Einzelheiten, hinsichtlich des Umfangs der Benennung usw., sind in der Datenbank der Kommission NANDO (New Approach Notified and Designated Organisations) zu finden.

Eine Besonderheit stellen Hersteller von Medizinprodukten der Klasse I, ausgenommen Sonderanfertigungen oder Prüfprodukte, dar, denn sie erklären die Konformität ihrer Produkte durch Ausstellung einer EU-Konformitätserklärung, nachdem sie die technische Dokumentation erstellt haben (sogenannte Selbstzertifizierung). Hierzu benötigen sie keine Benannte Stelle. Viele nach dem alten Recht in der Klasse I eingestuften Medizinprodukte werden aber gemäß den neuen Klassifizierungsregeln in der MDR höher eingestuft, und die Hersteller von solchen Produkten brauchen zum ersten Mal eine Benannte Stelle. Die Benannten Stellen müssen prüfen, ob die Medizinprodukte der Klassen IIa, IIb, III der geltenden MDR genügen und müssen diese zertifizieren. Dies ist ein sehr komplexer Prozess.

Für Produkte der Klasse Is, Im und Ir ist die Beteiligung der Benannten Stelle an diesen Verfahren der Ausstellung einer EU-Konformitätsbewertung begrenzt (siehe dazu Artikel 52 Absatz 7 MDR). Bei Produkten, die in sterilem Zustand in Verkehr gebracht werden (Is), überprüft die Benannte Stelle die Aspekte, die mit der Herstellung, der Sicherung und der Aufrechterhaltung steriler Bedingungen zusammenhängen, bei Produkten mit Messfunktion (Im) die Aspekte, die mit der Konformität der Produkte mit den messtechnischen Anforderungen zusammenhängen, und bei wiederverwendbaren chirurgischen Instrumenten (Ir) die Aspekte, die mit der Wiederverwendung in Zusammenhang stehen, insbesondere die Reinigung, Desinfektion, Sterilisation, Wartung und Funktionsprüfung sowie die damit verbundenen Gebrauchsanweisungen.

Je nach Risikostufe prüfen die Benannten Stellen sodann nicht nur die Übereinstimmung des Produkts mit den Grundlegenden Anforderungen und das Konformitätsbewertungsverfahren, sondern auch das zu zertifizierende Qualitätsmanagementsystem (QMS) des Herstellers, die technische Dokumentation sowie das Produktbeobachtungs- und Meldesystem und führen ― sofern notwendig ― Chargenprüfungen durch. Die Überwachung der Benannten Stellen erfolgt über die Zentralstellen der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten (ZLG). [/glossar]

[glossar] Wozu soll es die Europäische Datenbank für Medizinprodukte (EUDAMED) geben, und wie ist ihr aktueller Entwicklungsstand? :::

Mit der Verordnung (EU) 2017/745 (MDR) wurde eine Europäische Datenbank für Medizinprodukte (EUDAMED) eingerichtet, in der Informationen zu auf dem Markt befindlichen Produkten und den relevanten Wirtschaftsakteuren, bestimmten Aspekten der Konformitätsbewertung, Benannten Stellen, Bescheinigungen, klinischen Prüfungen, Vigilanz und Marktüberwachung gesammelt und verarbeitet werden.

Die Datenbank EUDAMED besteht aus sechs Modulen: dem Modul zur Registrierung von Wirtschaftsakteuren, dem Modul zur UDI-/Produkteregistrierung, dem Modul für die Benannten Stellen und Bescheinigungen, dem Modul für die Vigilanz, dem Modul für die Überwachung nach dem Inverkehrbringen sowie dem Modul für die Klinische Prüfung.

Mit der Datenbank soll die Transparenz u. a. durch besseren Zugang zu Informationen für die Öffentlichkeit und Angehörige der Gesundheitsberufe allgemein erhöht, die Pflicht zur Mehrfachberichterstattung vermieden, die Koordination der Mitgliedstaaten untereinander verbessert und der Informationsfluss zwischen den Wirtschaftsakteuren, den Benannten Stellen oder Sponsoren und den Mitgliedstaaten sowie den Mitgliedstaaten untereinander und der Kommission erleichtert und effizienter gestaltet werden.

Die Verwendung von EUDAMED ist bisher gemäß Artikel 34 der Verordnung (EU) 2017/745 über Medizinprodukte (MDR) nicht verpflichtend. Einige Module sind bereits verfügbar und können auf freiwilliger Basis genutzt werden. Im Besonderen:

  • Das Modul zur Registrierung von Wirtschaftsakteuren ist seit Dezember 2020 verfügbar;
  • Das Modul zur UDI-/Produkteregistrierung ist seit Oktober 2021 verfügbar;
  • Das Modul für die Benannten Stellen und Bescheinigungen ist seit Oktober 2021 verfügbar, mit Ausnahme des Kontrollmechanismus und der Funktionen des Konsultationsverfahrens für die klinische Bewertung (CECP).

Die Verordnung (EU) 2024/1860 zur Änderung der MDR und der Verordnung (EU) 2017/746 über In-vitro-Diagnostika (IVDR) ermöglicht eine schrittweise Einführung der einzelnen elektronischen Systeme von EUDAMED, sobald ihre Funktionsfähigkeit gemäß dem in der MDR festgelegten Verfahren überprüft wurde. Sie sieht ebenfalls vor, dass der Geltungsbeginn der Pflichten und Anforderungen im Zusammenhang mit EUDAMED und das Datum der Anwendung der entsprechenden nationalen Registrierungsanforderungen auf der Grundlage der Richtlinien 90/385/EWG, 93/42/EWG und 98/79/EG angeglichen werden. Gemäß den letzten Informationen der Europäischen Kommission sei die Veröffentlichung der Bekanntmachung der Funktionsfähigkeit der Module „Registrierung von Wirtschaftsakteuren“, „UDI/Produkte“ und „Benannte Stellen und Bescheinigungen“ im Amtsblatt der Europäischen Union für Juli 2025 geplant. Für das Modul „Vigilanz“ wäre die Veröffentlichung der Bekanntmachung der Funktionsfähigkeit im Amtsblatt für Januar 2026 erwartet. [/glossar]

[glossar] Wie ist der aktuelle Stand der Implementierung der Medizinprodukteverordnung und wo liegen aktuell die größten Herausforderungen bei der Umsetzung? :::

In Erwägungsgrund (1) der Verordnung (EU) 2017/745 über Medizinprodukte (MDR) wird das Ziel der MDR wie folgt formuliert, „einen soliden, transparenten, berechenbaren und nachhaltigen Rechtsrahmen für Medizinprodukte zu schaffen, der ein hohes Niveau an Sicherheit und Gesundheitsschutz gewährleistet, gleichzeitig aber innovationsfördernd wirkt“. Darüber hinaus soll mit der MDR gemäß dem Erwägungsgrund (2) „ein reibungslos funktionierender Binnenmarkt für Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika unter Berücksichtigung der in diesem Sektor tätigen kleinen und mittleren Unternehmen sichergestellt werden“.

Nach acht Jahren der Umsetzung der in der MDR festgelegten Anforderungen und Vorschriften hat sich gezeigt, dass die in den Erwägungsgründen festgelegten Ziele nicht erreicht worden sind, was besonders im Hinblick auf die Patientenversorgung kritisch zu sehen ist. Tatsächlich ist der Rechtsrahmen, wie er derzeit mit der der MDR umgesetzt wird, durch Unvorhersehbarkeit, zu hohe Komplexität, schwerfällige und ressourcenintensive Verfahren sowie ein kostenintensives Umfeld gekennzeichnet, das sich nachteilig auf alle Wirtschaftsbeteiligten und insbesondere auf kleine und mittlere Medizinprodukte-Hersteller auswirkt. Mit anderen Worten: Der Rechtsrahmen ist der Innovation und der Wettbewerbsfähigkeit der Medizinprodukte-Industrie nicht förderlich und ermöglicht keinen schnellen und kosteneffizienten Marktzugang für Medizinprodukte. Das widerspricht insbesondere den Interessen der Patienten und der Angehörigen der Gesundheitsberufe.

Zusammenfassend befindet sich die Implementierung der MDR in einer kritischen Phase, in der sowohl Hersteller als auch zuständigen Behörden vor erheblichen Herausforderungen stehen. Es bedarf weiterer Anstrengungen und möglicherweise Anpassungen, um die Patientensicherheit zu gewährleisten und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft der Medizinproduktbranche zu erhalten. [/glossar]

[glossar] Wie vertritt Pharma Deutschland die Interessen der Hersteller von Medizinprodukten? :::

Die Produkte unserer Mitgliedsfirmen werden seit Jahren sicher angewendet. Die MDR trat am 26. Mai 2017 in Kraft und sieht eine Vielzahl verschärfter Anforderungen vor, von denen auch stoffliche und dentale Medizinprodukte sowie Software betroffen sind. Der Geltungsbeginn der MDR wurde im April 2020 aufgrund der Corona-Pandemie um zwölf Monate auf den 26. Mai 2021 verschoben. Dafür hatte sich Pharma Deutschland stark engagiert.

Viele der zusätzlichen Belastungen stellen gerade für kleine und mittelständische Unternehmen enorme bürokratische Hürden dar, ohne für die Patientensicherheit einen entscheidenden Mehrwert mit sich zu bringen. Vielmehr könnten einige der Anforderungen dazu führen, dass bestimmte Produkte den Patienten künftig nicht mehr zur Verfügung stehen. Die am 20. März 2023 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichte Verordnung (EU) 2023/607 wurde erlassen, um den Herstellern u.a. längere Übergangsfristen für die Implementierung der neuen Vorschriften der MDR einzuräumen. Diese Maßnahme war leider nicht ausreichend, um das Problem des zunehmenden Mangels an Medizinprodukten zu lösen. Pharma Deutschland setzt sich dafür ein, dass Medizinprodukte-Hersteller auch weiterhin Innovationen auf den Markt bringen und Patienten ihre Medizinprodukte zur Verfügung stellen können. Die Implementierung der MDR muss daher pragmatisch und mit Augenmaß erfolgen. Pharma Deutschland vertritt die Interessen seiner Mitglieder sowohl auf deutscher als auch auf europäischer Ebene und steht in engem Austausch mit dem Bundesministerium für Gesundheit sowie mit zahlreichen Akteuren auf europäischer Ebene, um bei der Implementierung der neuen Regelungen sowie beim Erlass nicht-legislativer Maßnahmen mitzuwirken.

Um die oben genannten Herausforderungen zu bewältigen und die Ziele der MDR zu erreichen, engagiert sich Pharma Deutschland für die Einführung folgender Maßnahmen zur Verbesserung und Optimierung des bestehenden Regulierungssystems vor, die nicht-legislative und legislative Mittel umfassen:

  1. Festlegung von verbindlichen Fristen für die Konformitätsbewertungsverfahren und die Ausstellung der Zertifikate gemäß Anhang VII der MDR und Anhang VII der IVDR
  2. Vorhersehbarkeit und Reduzierung von Kosten
  3. Abschaffung der in der Verordnung festgelegten maximalen Gültigkeitsdauer von Zertifizierungsbescheinigungen
  4. Abbau von unnötigem bürokratischem Aufwand durch Vermeidung von Redundanz in der Dokumentation
  5. Schaffung klarer Prozesse und mehr Transparenz bei der Erarbeitung von Leitlinien
  6. Strukturierter Dialog mit den Benannten Stellen
  7. Förderung von Innovationen
  8. Effizienzsteigerung durch Digitalisierung

Die vorgeschlagenen Maßnahmen sollen Transparenz, Vorhersehbarkeit und Effizienz verbessern. [/glossar]

[glossar] Wie engagiert sich Pharma Deutschland, um eine gute Versorgung mit Medizinprodukten zu gewährleisten? :::

Pharma Deutschland hat bereits zahlreiche Positionspapiere erarbeitet und sowohl auf deutscher als auch auf europäischer Ebene adressiert. Viel wurde dadurch bereits erreicht, besonders hervorzuhaben ist: Verschiebung des Geltungsbeginns der Verordnung (EU) 2017/745 über Medizinprodukte (MDR) und die dringend erforderliche Verlängerung ihrer Übergangsbestimmungen.

Die Europäische Kommission hat angekündigt, bis Mai 2027 eine umfassende kritische Bewertung der MDR vorzunehmen. Sollte sich herausstellen, dass durch die neuen Vorschriften die Ziele nicht erreicht werden oder sich eine negative Auswirkung auf die Patientensicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die medizinische Innovation ergibt, wird die Europäische Kommission gegebenenfalls voraussichtlich Änderungen vorschlagen. Dies könnte auf weitere Änderungen der MDR hindeuten. Diese wären notwendig, um verbindliche Fristen für die Konformitätsbewertungsverfahren und die Ausstellung der Zertifikate gemäß Anhang VII der MDR festzulegen, Kosten vorherzusehen und zu reduzieren, die im Gesetz festgelegte maximale Gültigkeitsdauer von Zertifizierungsbescheinigungen abzuschaffen sowie im Rahmen der klinischen Bewertung die Anwendung des „Äquivalenz-Prinzips“ in der Praxis zu ermöglichen. Auch die Förderung des Dialogs zwischen Benannten Stellen und Herstellern ist unerlässlich. Pharma Deutschland engagiert sich für eine erneute Änderung der MDR. [/glossar]

[glossar] Welche Möglichkeiten gibt es, um sich bei Pharma Deutschland im Medizinproduktebereich zu engagieren? :::

Um den fachlichen Austausch zwischen den Medizinprodukte-Herstellern zu fördern, gibt es bei Pharma Deutschland einen Ausschuss „Stoffliche Medizinprodukte“. In diesem diskutieren die Mitglieder aktuelle Themen und erarbeiten Lösungsansätze, damit Medizinprodukte-Hersteller die rechtlichen Anforderungen praxisnah und effizient umsetzen können.

Eine Besonderheit innerhalb des Medizinproduktebereichs sind dentale Medizinprodukte, wie etwa Zahnfüllmaterialien oder Zahnersatz. Hersteller dieser Produkte unterstützt Pharma Deutschland mit einer eigenen Arbeitsgruppe Dental.

Darüber hinaus bietet Pharma Deutschland seinen Mitgliedern zurzeit elf weitere Arbeitsgruppen und Arbeitskreise im Bereich Medizinprodukte, bei denen die Mitglieder aktiv mitarbeiten können:

  • AK SOPs für Medizinprodukte;
  • AG Medizinische Gase;
  • AG Klinische Bewertung Medizinprodukte;
  • AG Umsetzung der MDR für dentale Produkte;
  • AG Vigilanz bei Medizinprodukten;
  • AG OEM-PLM (Fertigproduktlieferant);
  • AG Ästhetische Medizin;
  • AK Chemikalienrecht Arzneimittel und Medizinprodukte;
  • AG Klinische Prüfung von Arzneimitteln und Medizinprodukten;
  • AG EUDAMED-Erfahrungsaustausch;
  • AG Erfahrungsaustausch Arzneimittel-Medizinprodukte-Kombinationen. [/glossar]

[glossar] Ansprechpartner bei Pharma Deutschland :::

Die beiden Mitarbeiterinnen im Bereich Medizinprodukte, Marie Anton (anton@pharmadeutschland.de) und Dr. Heike Wollersen (wollersen@pharmadeutschland.de), stehen den Mitgliedern für fachliche Beratung telefonisch und per E-Mail zur Verfügung. [/glossar]
 

MPJ-Podcast „Medizinprodukte - Frei Schnauze“

Der Podcast zu den aktuellen Themen der Medizinproduktebranche für Wissenschaftler, Hersteller, Händler und Betreiber von Medizinprodukten. Offen diskutiert und erörtert von den drei Herausgebern der Fachzeitschrift „Medizinprodukte-Journal“.

Der Podcast ist eine bewusst offene, nicht einseitig referierende lockere Gesprächsrunde zu den aktuellen Themen der Branche als Einführung, Ergänzung, Vertiefung und Information parallel zur dazugehörigen Ausgabe des Medizinprodukte-Journals. Seitens Pharma Deutschland ergänzt Marie Anton-Ambach das Herausgeberteam und begleitet aktiv den Podcast.

Sie finden den Podcast auf der Webseite des Medizinprodukte-Journals.

 

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