Positionierung EU-Kommunalabwasserrichtlinie
Pharma Deutschland Positionen
Sauberes Wasser ist eine lebenswichtige Ressource. Deshalb ist das Entfernen von Mikroschadstoffen aus dem Abwasser ein wichtiges umweltpolitisches Ziel.
Die pharmazeutische Industrie trägt Verantwortung für die hergestellten Produkte und ihren Anteil am Umwelteintrag von Mikroschadstoffen. Pharma Deutschland unterstützt deutsche und europäische Strategien zur Reduktion der Gewässerbelastung und ist seit fast 10 Jahren am deutschen Spurenstoffdialog beteiligt.
Die EU-Kommunalabwasserrichtlinie weist erhebliche systematische Fehler auf.
Das Impact Assessment der EU-Kommission und die Ausgestaltung der erweiterten Herstellerverantwortung (Extended Producer Responsibility – EPR) basieren auf keiner nachvollziehbaren Datengrundlage. Zudem weist die Kostenkalkulation zum Aufbau einer 4. Reinigungsstufe massive Mängel auf, weshalb die Auswirkungen auf die Arzneimittelversorgung erheblich unterschätzt werden (siehe Pressemitteilung Pharma Deutschland: Kostenprognosen des VKU zur vierten Klärstufe der EU-Kommunalabwasser-Richtlinie (KARL) unrealistisch).
Das Impact Assessment der Kommission verzerrt den Anteil von Rückständen aus Human-Arzneimitteln im Abwasser.
Ein von den deutschen Pharma-Verbänden beauftragtes unabhängiges Gutachten hat nachgewiesen, dass die Aussage der EU-Kommission, wonach 66% der schädlichen Mikroverunreinigungen von Human-Arzneimitteln stammen, nicht nachvollziehbar ist, da die EU-Kommission keine Berechnungen und Quellen für diese Annahme vorgelegt hat (siehe Pressemitteilung Ramboll-Gutachten hinterfragt die Grundlagen der Emissionszuteilungen der europäischen Abwasserrichtlinie). Ein Großteil der verfügbaren Studien zur Herkunft von Mikroschadstoffen aus anderen Bereichen wie der chemischen Industrie, der Lebensmittelindustrie, der Landwirtschaft, dem Verkehr, aus Bioziden oder durch Mikroplastik wurde nicht von der EU-Kommission berücksichtigt.
Umweltpolitischer Anreiz der EPR läuft bei Human-Arzneimitteln in Leere.
Das umweltpolitisch angestrebte Ziel der EPR, umweltrelevante Stoffe auszutauschen, kann bei Human-Arzneimitteln regelhaft nicht erreicht werden, da die Entwicklung neuer Wirkstoffe im Durchschnitt 13 Jahre dauert. Ein breiter Austausch von wirksamen und gleichzeitig ökologisch unbedenklichen Human-Arzneimitteln kann im besten Fall mehrere Jahrzehnte dauern.
Die Richtlinie birgt die akute Gefahr weiterer Lieferengpässe
Über 80% der Arzneimittelversorgung werden von generischen Arzneimitteln erbracht. Diese können Preissteigerungen aufgrund gesetzlicher Vorgaben und der Preisgestaltung nicht über das Erstattungssystem refinanzieren. Die Last der Herstellerverantwortung wird insbesondere den generischen Sektor finanziell sehr stark treffen, wodurch die Gefahr besteht, dass generische Human-Arzneimittel nicht mehr kostendeckend hergestellt werden können. Dies kann wiederum zu einer Produktionseinstellung führen. Beide Punkte widersprechen dem Ziel der Bundesregierung und der Europäischen Union, die Versorgungssicherheit zu verbessern sowie die Abhängigkeit der Gesundheitssysteme von Drittstaaten zu reduzieren.
Pharma Deutschland Forderungen
Um nachhaltigen Schaden für die Industrie, den Pharmastandort Deutschland und die Versorgungssicherheit mit lebensnotwendigen Arzneimitteln abzuwenden, muss die Bundesregierung die Bedenken der Industrie ernst nehmen. Es gilt, nachvollziehbare und unterstützenswerte umweltpolitische Ziele mit den Realitäten des deutschen Gesundheitssystems zusammenzubringen. Dies kann nur geschehen, wenn Gesundheit und Nachhaltigkeit gemeinsam gedacht werden.
Dazu fordern wir:
[glossar] Die Richtlinie muss durch die Bundesregierung an die EU zurückgewiesen, und dort grundlegend überarbeitet werden. :::
Ein (neues) Impact Assessment der EU-Kommission muss auf einer transparenten und realistischen Datengrundlage basieren, die sowohl alle Verursacher von Mikroschadstoffen als auch die realen Kosten für den Kläranlagenausbau und Betrieb berücksichtigt. Die Gesetzgebung sollte sich an erfolgreich implementiertem und bürokratiearmem Schweizer Modell orientieren. [/glossar]
[glossar] Die Standort- und Versorgungssicherheit der pharmazeutischen Industrie muss berücksichtigt werden. :::
Die Auswirkungen der EPR auf die Gesundheitsversorgung müssen vor einer nationalen Umsetzung evaluiert werden. Relevante Stakeholder, wie das Bundesministerium für Gesundheit und Arzneimittelhersteller und Krankenkassen, müssen in die Ausgestaltung einbezogen werden. [/glossar]
[glossar] Die finanzielle Belastung der Hersteller muss Grenzen haben. :::
Um eine faire und evidenzbasierte Priorisierung der Anlagenmodernisierung zu gewährleisten, sollten 20% benötigten Kosten durch reguläre nationale Mittel für das Abwasser getragen werden. Ebenfalls muss sichergestellt werden, dass den betroffenen Hersteller nicht vergangene Investitionen auferlegt werden und sie nicht für die Reinigung von Mikroschadstoffen haftbar gemacht werden, die von Dritten stammen. Alle Verursacher müssen entsprechend ihres Anteils an den Kosten beteiligt werden. Zusätzlich dürfen Herstellerbeiträge nicht zur Deckung der Betriebskosten der Abwasserbehandlung, von Infrastrukturräum, Dienstleistungen des Personals sowie direkte Energiekosten von Klärwerken genutzt werden. Es sollten verbindliche Kostenfaktoren für verschiedene Techniken festgelegt werden. Darüber hinaus muss eine direkte Rechenschaftspflicht für diejenigen festgelegt werden, die an der Verwendung von Herstellerbeiträgen beteiligt sind. Bei Nichteinhaltung dieser Grundsätze sollten Sanktionen verhängt werden. [/glossar]
[glossar] Die Richtlinie muss einheitlich in den Mitgliedsstaaten der EU angewandt werden. :::
Es werden einheitliche Definitionen für betroffene Stoffe, Ausnahmereglungen und Gebührenmodelle benötigt. Hierbei müssen die Industrie und relevante Ministerien und Behörden (z. B. das Bundesministerium für Gesundheit oder das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz) einbezogen werden. [/glossar]