Der Brexit – eine Gefahr für die Arzneimittelversorgung
Der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union (EU) zum 29. März 2019 gefährdet die Sicherheit der Arzneimittelversorgung auf beiden Seiten. Die Politik ist nun gefordert, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um eine qualitativ hochwertige Versorgung zu gewährleisten. Aber auch die Industrie in den verbleibenden 27 EU-Staaten tut gut daran, sich umgehend auf den Brexit und seine möglichen Auswirkungen einzustellen. Das sind die wichtigsten Ergebnisse des vom Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) initiierten Wirtschaftsdialoges mit hochkarätigen Referenten der britischen Botschaft sowie aus Politik und Industrie gestern vor 60 Teilnehmern.
Dr. Elmar Kroth, Geschäftsführer Wissenschaft beim BAH, formulierte, was Arzneimittel-Hersteller nun unbedingt beachten sollten: „Wichtig ist zunächst eine genaue Analyse des Status quo. Zum Beispiel: Laufen noch Zulassungsprozesse unter Beteiligung von Großbritannien? Dann muss ich darauf achten, einen neuen Reference Member State zu finden und alle laufenden Prozesse vor dem Brexit abzuschließen. Große Probleme bereiten auch die stark verflochtenen Lieferketten von Arzneimitteln, aber auch die von Roh-, Wirk- und Hilfsstoffen. Je mehr britische Stellen beteiligt sind, desto eher muss ich bei der Herstellung und Prüfung von Arzneimitteln mit Beeinträchtigungen rechnen.“
Unternehmen sollten auch perspektivisch denken: Auf welchen Märkten will ich künftig meine Arzneimittel verkaufen? Für den Markt der 27 EU-Staaten müssen Firmensitz und Sitz der verantwortlichen Person in der EU liegen. Wer auch auf dem britischen Markt präsent sein möchte, braucht eine Niederlassung in Großbritannien.
Eine qualitätsgesicherte Arzneimittelproduktion – das bedeutet in der Nach-Brexit-Ära unter anderem doppelte Tests, ohne dass eventuell rechtzeitig genug Testlaboratorien zur Verfügung stehen. Es bedeutet auch, dass die für bestimmte Produkte vorgeschriebenen Prüfungen, die derzeit oft noch in Großbritannien vorgenommen werden, dann auf dem Kontinent stattfinden müssen. Auch hier ist unklar, ob die Kapazitäten dafür reichen, wenn sie gebraucht werden. Zollbarrieren sind ein weiteres Problem: „Selbst die Frage, ob es am Tag X überhaupt genug Zöllner geben wird, welche die gegenseitige Ein- und Ausfuhr von Arzneimitteln überwachen, ist offen“, so Dr. Hermann Kortland, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des BAH und Moderator der Veranstaltung. Und weiter: „Von den Politikern beider Seiten erwarten wir eine frühe Einigung und Transparenz über alle Zollprozeduren, damit sich die Hersteller rechtzeitig darauf einstellen können. Helfen würde in jedem Fall eine gegenseitige Anerkennung von Qualitätskontrollen und Inspektionen.“
„Zwar soll es vom 29. März 2019 bis zum 31. Dezember 2020 eine Übergangszeit geben. Viele Regelungen dazu sind aber noch völlig offen. Sich darauf zu verlassen, dass die Politik es irgendwie richten wird, wäre fahrlässig. Ich kann Herstellern nur dringend raten, sich gründlich zu informieren und die richtigen Schritte einzuleiten“, zog Elmar Kroth ein Fazit.
Weitere Teilnehmer waren: Robbie Bulloch, stellvertretender britischer Botschafter in Berlin, zur britischen Sicht der Dinge; Silja Waibel, stellvertretende Referatsleiterin im Auswärtigen Amt, zum Stand der Brexit-Verhandlungen; Dr. Georg Kippels, Mitglied des Gesundheitsausschusses im Deutschen Bundestag, zur Rolle des Bundestags; Christian Baracat, Director, European Government Affairs & Brussels office; Communications and Government Affairs, von GlaxoSmithKline, zu Lösungsansätzen im Arzneimittelbereich. Unter den Gästen waren auch Vertreter der Bundesregierung, der Selbstverwaltung und von BAH-Mitgliedsfirmen.
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Von links: Christian Baracat, Dr. Georg Kippels, Silja Waibel, Robbie Bulloch, Dr. Hermann Kortland, Dr. Elmar Kroth. ©BILDSCHÖN GmbH, Tom Maelsa/BAH