Bundesregierung muss bei Abwasserrichtlinie auf nationale Schadensbegrenzung setzen
Heute hat der Rat der Europäischen Union der kommunalen Abwasserrichtlinie (Urban Waste Water Treatment Directive) zugestimmt, die die EU-Kommission überarbeitet hat. Demnach werden die Kosten, die für die Erweiterung der größeren kommunalen Kläranlagen um eine „4. Reinigungsstufe“ anfallen, zu mindestens 80 Prozent auf die Hersteller von Human-Arzneimitteln und Kosmetika übertragen.
Für die pharmazeutische Industrie stellt diese Novelle, die nunmehr binnen rund zwei Jahren national umgesetzt werden muss, nicht nur eine unfaire Kostenverteilung dar. Die pharmazeutischen Verbände BPI, Pharma Deutschland, vfa und Pro Generika sehen Gefahren für den Standort Deutschland und warnen vor womöglich gravierenden Arzneimittel-Engpässen. Denn der Bau und Betrieb der 4. Reinigungsstufe wird die Pharma- und Kosmetikindustrie in den nächsten 20 Jahren mit hohen Kosten in Milliardenhöhe belasten.
Nun ist es wichtig, dass die Bundesregierung, die der Richtlinie allen Warnungen zum Trotz zugestimmt hat, auf nationale Schadensbegrenzung achtet, dass sie der einseitigen Belastung der Pharmaunternehmen entgegenwirkt und dass sie die Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit eng im Blick behält.
Richtlinie schwächt den Standort Deutschland
Völlig unstrittig ist, dass Klärwerke so ausgebaut werden müssen, dass auch Spurenstoffe aus dem Abwasser gefiltert werden. Nicht nachvollziehbar ist aber, warum nur zwei Branchen belangt werden, obwohl die zu entfernenden Verunreinigungen auch aus anderen Bereichen – etwa aus Pflanzenschutz- oder Reinigungsmitteln oder aus dem Verkehr – stammen.
Auch steht die massive Belastung im Widerspruch zur politisch gewollten Stärkung des Pharmastandortes. Vor allem aber wird sie das Problem der Medikamenten-Knappheit verstärken und zu Engpässen bislang ungeahnten Ausmaßes führen.
Versorgung mit Krebsmitteln, Diabetes-Medikamenten oder Antibiotika wird aufs Spiel gesetzt
Grundsätzlich sind Hersteller aus allen Bereichen der Arzneimittelversorgung von Zahlungsverpflichtungen bedroht. Besonders stark betroffen aber sind die Generika-Hersteller, die 80 Prozent der Versorgung stemmen. Bedenkt man, dass der jahrelange Kostendruck hier bereits jetzt zu einer besorgniserregenden Medikamenten-Knappheit führt, wird die Dimension des Problems deutlich. Da innerhalb des Erstattungssystems in Deutschland die Arzneimittelpreise nicht erhöht werden können, droht die Produktion der betreffenden Arzneimittel für die Unternehmen unwirtschaftlich zu werden – was wiederum zu Marktrücknahmen führen wird.
Die Folgen könnten immens sein. Es drohen Engpässe u.a. bei Krebsmitteln, Diabetes-Medikamenten oder Antibiotika – bei Arzneimitteln also, die von den Patientinnen und Patienten dringend benötigt werden und bereits heute immer mal wieder knapp sind.