Globale Spannungen, lokale Lösungen

Fokus auf die Pharmaindustrie am Außenwirtschaftstag 2025

 

Ein Interview mit Dorothee Brakmann, Hauptgeschäftsführerin Pharma Deutschland (08.04.2025)

 

Wie trägt die deutsche Pharmaindustrie durch Exporte zur Stabilität der Wirtschaft und zur globalen Gesundheitsversorgung bei?

Dorothee Brakmann: Mit einem Exportvolumen von über 60 Milliarden Euro spielt die deutsche Pharmaindustrie eine Schlüsselrolle. Das gilt nicht nur für die Stabilisierung der heimischen Wirtschaft, sondern auch für die Deckung des weltweiten Arzneimittelbedarfs, insbesondere in Regionen, die stark auf importierte Arzneimittel angewiesen sind. Deutsche Pharmaunternehmen sind bekannt für ihre Innovationskraft und Qualität, was ihnen Zugang zu internationalen Märkten verschafft und sie zu zuverlässigen Partnern in der globalen Gesundheitsversorgung macht. Die Exporte stärken zugleich auch Deutschlands Position als Hightech-Standort. Ein Ausbau der Marktanteile durch gezielte Handelsabkommen könnte sowohl wirtschaftliche als auch gesundheitspolitische Vorteile bringen.

 

Kann die europäische Pharmaindustrie die geopolitischen Herausforderungen zu ihrem Vorteil nutzen, um widerstandsfähiger, innovativer und strategisch breiter aufgestellt zu sein?

Dorothee Brakmann: Die sich wandelnde geopolitische Landschaft stellt uns vor erhebliche Herausforderungen, eröffnet jedoch ebenso große Chancen. Die Pharmabranche kann diese nutzen, um die Resilienz ihrer Unternehmen in Deutschland und Europa zu stärken und sich strategisch breiter aufzustellen. Diversifizierung kann hierbei ein Schlüssel sein, wie die Panels heute verdeutlicht haben. Zudem sind Innovation und Investitionen in zukunftsweisende Technologien essenziell. Unterbrechungen in der Versorgung und steigende Kosten durch geopolitische Risiken verstärken den Druck, alternative Lösungen zu entwickeln. Es lohnt sich, gezielt darüber nachzudenken, welche Instrumente uns bereits zur Verfügung stehen – und wo auf EU-Ebene noch nachgebessert werden muss, um wirtschaftliche Stabilität zu fördern, schneller auf Krisen reagieren zu können und die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Politische Hebel könnten steuerliche Anreize, Subventionen für die Forschung, Maßnahmen zur Stärkung regionaler Produktionskapazitäten oder eine Vereinfachung der regulatorischen Rahmenbedingungen sein.

 

Welche konkrete Rolle spielt die Diversifizierung von Handelsbeziehungen für die Zukunft der deutschen Pharmaindustrie im globalen Wettbewerb?

Dorothee Brakmann: Die Diversifizierung von Handelsbeziehungen ist ein zentraler Faktor, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und europäischen Pharmaindustrie langfristig zu sichern. Angesichts geopolitischer Unsicherheiten und zunehmender Handelskonflikte ist es essenziell, Abhängigkeiten von einzelnen Märkten zu reduzieren. Durch neue strategische Partnerschaften, wie etwa das EU-Mercosur-Freihandelsabkommen, das Handelshemmnisse abbaut und die wirtschaftliche Zusammenarbeit stärkt, schaffen wir alternative Lieferketten und reduzieren Abhängigkeiten. Dies bietet uns enorme Chancen, neue Märkte zu erschließen und gleichzeitig bestehende Handelsbeziehungen zu stärken. Darüber hinaus ermöglicht die Diversifizierung den Zugang zu unterschiedlichen Ressourcen und Technologien, was die Innovationskraft der Branche weiter fördert. Besonders in Schwellenländern und aufstrebenden Märkten können europäische Pharmaunternehmen durch angepasste Produkte und nachhaltige Produktionsmethoden ihre Präsenz ausbauen.

 

Was kann die europäische Pharmaindustrie im Hinblick auf die globale Gesundheit leisten und was braucht es, um Versorgungslücken zu schließen?

Dorothee Brakmann: Die pharmazeutische Industrie in Deutschland und der EU trägt entscheidend zur globalen Gesundheit bei – durch Produktinnovationen, Generika und rezeptfreie Arzneimittel. Dennoch bestehen nach wie vor Versorgungslücken, die auf unterbrochene Lieferketten, wirtschaftliche Aspekte wie unrentable Produktion, regulatorische Anforderungen oder Engpässe bei Rohstoffen zurückzuführen sind. Um diese Lücken zu schließen, braucht es einen ganzheitlichen Ansatz, den wir nur durch eine enge Zusammenarbeit zwischen Industrie, Politik und Wissenschaft erreichen können, wie die heutigen Diskussionen gezeigt haben. Die Schließung von Versorgungslücken ist eine gemeinschaftliche Verantwortung, bei der alle Akteure an einem Strang ziehen müssen. Nachhaltige Lösungen erfordern verlässliche Rahmenbedingungen, um Arzneimittel für alle zugänglich zu machen und gleichzeitig die Innovationskraft zu erhalten.

 

Wie lässt sich die Zukunft der europäischen Pharmaindustrie gestalten, insbesondere in Bezug auf Regulierung und Marktzugang?

Dorothee Brakmann: Damit Deutschland und Europa auch künftig weltweit führende Gesundheitsstandorte bleiben, sind verlässliche regulatorische Rahmenbedingungen und ein fairer Marktzugang von entscheidender Bedeutung. Ein positives Signal ist das starke Engagement Deutschlands für einen weiterhin fairen Patent- und Marktschutz im Rahmen des EU-Pharmapakets. Das umfassende Maßnahmenpaket der Europäischen Union zielt darauf ab, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Pharmaindustrie zu sichern, die Versorgungssicherheit mit Arzneimitteln zu verbessern, Innovationen zu fördern und regulatorische Prozesse zu vereinfachen.

Ein weiterer zentraler Baustein ist die EU-HTA (Health Technology Assessment)-Verordnung, die seit Januar 2025 in Kraft ist. Die Verordnung schafft einen einheitlichen Rahmen für die Bewertung von Gesundheitstechnologien und hat das Ziel, die Qualität und Effizienz der Bewertungen zu verbessern und Doppelarbeit in den Mitgliedstaaten zu vermeiden. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der engen Zusammenarbeit zwischen den nationalen HTA-Institutionen und den europäischen Behörden. Bei der Implementierung sind effiziente Prozesse gefragt, die minimalen bürokratischen Aufwand bedeuten. So kann eine erfolgreiche Implementierung sichergestellt werden, die nicht nur als Vorbild für Europa dient, sondern auch weltweit Maßstäbe setzt.

 

Wie beeinflussen wirtschaftliche Trends wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Pharmaindustrie?

Dorothee Brakmann: Durch digitale Innovationen können Unternehmen ihre Forschungs- und Entwicklungsprozesse erheblich beschleunigen und effizienter gestalten. Ein Beispiel ist der Einsatz von KI zur Analyse von klinischen Studien oder zur Identifikation neuer Wirkstoffe. Darüber hinaus stärkt die Digitalisierung die Lieferketten, sorgt für Transparenz und reduziert Versorgungsausfälle. Digitale Plattformen erleichtern zudem den Zugang zu medizinischen Informationen und Dienstleistungen, was die Marktattraktivität erhöht. So senkt die Digitalisierung Kosten und stärkt die Marktposition.

Gleichzeitig gewinnt Nachhaltigkeit immer mehr an Bedeutung. Pharmaunternehmen investieren zunehmend in umweltfreundliche Produktionsmethoden und nachhaltige Verpackungslösungen, um den ökologischen Fußabdruck zu reduzieren. Diese Maßnahmen sind nicht nur ein Beitrag zum Klimaschutz, sondern auch ein Wettbewerbsvorteil, da sie den Erwartungen von Verbrauchern und Investoren entsprechen. Unternehmen, die diese Trends aktiv nutzen, positionieren sich als innovative und verantwortungsbewusste Akteure auf dem globalen Markt.

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