Kostenprognosen des VKU zur vierten Klärstufe der EU-Kommunalabwasser-Richtlinie (KARL) unrealistisch
Pharma Deutschland kritisiert VKU-Kostenschätzungen zur vierten Klärstufe – Realitätscheck offenbart massive Abweichungen
Eine neue Analyse von Pharma Deutschland zeigt erhebliche Differenzen zwischen den Kostenschätzungen des Verbands Kommunaler Unternehmen (VKU) und realen Projektkosten für die Einführung der vierten Reinigungsstufe in Kläranlagen. Dabei stützt sich Pharma Deutschland auf öffentliche Daten von 25 Klärwerksprojekten, die zwischen 2018 und 2024 geplant oder umgesetzt wurden.
Deutliche Diskrepanzen zwischen VKU-Prognosen und realen Kosten
Laut der VKU-Studie "Herstellerverantwortung: Was kostet die Pflicht zur vierten Reinigungsstufe?" betragen die prognostizierten Bau- und Betriebskosten je nach Klärwerksgröße 0,40 bis 2,60 Euro pro Kubikmeter Abwasser. Der Realitätscheck von Pharma Deutschland zeigt jedoch deutlich höhere Baukosten: Diese liegen bei 2,02 bis 3,91 Euro pro Kubikmeter.
Auch bei den Gesamtbaukosten ergeben sich gravierende Abweichungen. Während der VKU von 4 Milliarden Euro für den Bau von 570 Klärwerken ausgeht, kommt Pharma Deutschland auf Hochrechnungen von 10,5 Milliarden Euro – mehr als das Doppelte.
„Die aktuellen Prognosen des VKU verkennen die tatsächliche finanzielle Belastung“, erklärt Dorothee Brakmann, Hauptgeschäftsführerin von Pharma Deutschland. „Die Bundesregierung muss die Kosten der vierten Klärstufe realistisch bewerten, um nachhaltige Entscheidungen zu treffen.“
Einfluss auf Industrie und Standort Deutschland
Die EU-Kommunalabwasser-Richtlinie (KARL), die am 5. November 2024 final vom EU-Rat bestätigt wurde, verpflichtet unter anderem die Humanpharmazeutik- und Kosmetikbranche zur Kostenübernahme gemäß dem Verursacherprinzip. Diese Unternehmen sollen mindestens 80 % der Kosten zum Aufbau der vierten Klärstufe tragen. Pharma Deutschland kritisiert, dass die finanziellen und strukturellen Auswirkungen dieser Verpflichtung bislang unterschätzt werden.
„Der Realitätscheck unterstreicht, dass die Umsetzung der vierten Klärstufe und die Folgen für die Pharmaindustrie massiv unterschätzt werden“, so Brakmann. Sie fordert die künftige Bundesregierung auf, die Bedenken der Branche ernst zu nehmen und in einen konstruktiven Dialog einzutreten. „Es ist entscheidend, nachhaltigen Schaden für die Industrie, den Pharmastandort Deutschland und die Versorgungssicherheit mit lebensnotwendigen Arzneimitteln zu vermeiden.“
Hintergrund zur EU-Kommunalabwasser-Richtlinie (KARL)
Die im Oktober 2022 überarbeitete und kürzlich bestätigte EU-Kommunalabwasser-Richtlinie verpflichtet erstmals Branchen wie Pharma- und Kosmetikhersteller zur erweiterten Herstellerverantwortung. Ziel ist die Einführung einer vierten Reinigungsstufe, um Mikroschadstoffe aus dem Abwasser zu entfernen. Die nationalen Umsetzungspläne der Mitgliedstaaten stehen nun bevor, wobei die Bundesregierung sich mit steigenden Kostenschätzungen und Kritik aus der Industrie konfrontiert sieht.
Pharma Deutschland betont die Notwendigkeit eines offenen Dialogs, um eine tragfähige Lösung für Umwelt- und Industrieziele gleichermaßen zu finden.