4 Forderungen für eine verlässliche Arzneimittelversorgung

20.12.2024 Die Pharmabranche steht national und international vor vielen offenen Fragen und damit vor fehlender Planungssicherheit. Das liegt auch, aber nicht nur daran, dass ein neuer Bundestag gewählt wird und eine neue Regierung wahrscheinlich nicht vor Mai ihre Arbeit aufnimmt. Wenn Deutschland im internationalen Wettbewerb nicht den Anschluss verlieren will, brauchen die Pharmaunternehmen und die gesamte Gesundheitswirtschaft verlässliche Rahmenbedingungen und eine klare politische Unterstützung.

Die Stärkung des Pharmastandorts sichert eine qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung für die Menschen in unserem Land und bietet gleichzeitig enorme Chancen für die deutsche Wirtschaft.  Deshalb sollte auch die kommende Bundesregierung weiterhin an einer Pharmastrategie arbeiten, um begonnenen Initiativen wie Digitalisierung des Gesundheitswesens, besserer Zugang zu Daten für die Pharmaindustrie sowie die Förderung der klinischen Forschung und die Verbesserung der europäischen Rahmenbedingungen konsequent weiterverfolgen zu können.

Wir wollen in den politischen Debatten rund um die Bundestagswahl zeigen, wie wichtig die Pharmabranche als Motor für Wohlstand, Beschäftigung und Innovationskraft in Deutschland ist und die Punkte benennen, die aus unserer Sicht erfüllt werden müssen, um Deutschland als Pharmastand im internationalen Wettbewerb wieder an die Spitze zu bringen. Wir waren die Apotheke der Welt und wir wollen es wieder werden. Als Schlüsselindustrie leisten wir zudem einen wesentlichen Beitrag zum Wohlstandversprechen der Politik.


Unsere 4 Forderungen für eine verlässliche Arzneimittelversorgung


1) Mit Selbstmedikation die Autonomie der Patientinnen und Patienten stärken

Jeder Arztbesuch erzeugt Kosten für das Gesundheitssystem. Um Heuschnupfen, Migräne oder Magenbeschwerden zu behandeln, kann man sich direkt an die Apotheke wenden, wird dort beraten und bekommt wirksame Arzneimittel, die nicht verschreibungspflichtig sind.  Das nennt man „Selbstmedikation“. Mit mehr Selbstmedikation kann ein wichtiger Beitrag zur Entlastung des Gesundheitssystems geleistet werden. 1 Euro, der für rezeptfreie Arzneimittel ausgegeben wird, spart jeweils gut 14 Euro für die gesetzliche Krankenversicherung und 4 Euro für die Volkswirtschaft. Arztpraxen werden entlastet und die eingesparten Ausgaben schaffen neue Freiräume.

Außerdem werden so die gesundheitliche Selbstbestimmung und die Eigenverantwortung der Patientinnen und Patienten gestärkt. Aber auch bei alltäglichen Gesundheitsbeschwerden sollte man sich beraten lassen. Das stellt die Apotheke vor Ort sicher.

Dafür setzt sich Pharma Deutschland ein:

  • Den Zugang zu Arzneimitteln für die Selbstmedikation erleichtern, in dem das Verfahren zur Entlassung von Arzneimitteln aus der Verschreibungspflicht vereinfacht und beschleunigt wird, um das Gesundheitssystem gezielt zu entlasten
  • Frei werdende finanzielle Mittel in die Stärkung anderer Bereiche des Gesundheitswesens stecken
  • Apotheken und ihre Rolle in der Gesundheitsberatung stärken

 

2) Mit innovationsfreundlichen Verfahren bei der Preisregulierung zu besseren Arzneimitteln beitragen

Das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) bestimmt seit 2011 die Preise für neue Arzneimittel und bewertetet deren Zusatznutzen. Mit dem gesetzlich festgelegten Verfahren fällt es immer schwerer, den pharmazeutischen Fortschritt angemessen zu bewerten und entsprechend zu berücksichtigen. Das AMNOG hat strukturelle, prozessuale, methodische und administrative Schwachstellen. Damit bei den Patientinnen und Patienten neue und weiterentwickelte Arzneimittel zur Anwendung kommen und die Position Deutschlands als Innovationsstandort gestärkt wird, muss das AMNOG modernisiert werden.

Dafür setzt sich Pharma Deutschland ein:

  • Optimierung der Strukturen und Verfahren im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), eine innovationsfreundliche Neuausrichtung der Preisbildung und der Vertragsgestaltung sowie einer Flexibilisierung der Verhandlungsspielräume
  • Anpassung von Prozessen an europäische Anforderungen und Entwicklung neuer wissenschaftlicher Standards durch Steigerung der methodischen Akzeptanz indirekter Vergleiche und die Berücksichtigung zusätzlicher Evidenz durch die Nutzung Daten aus Europa
  • Keine Benachteiligung der Unternehmen beim Wechsel der Vergleichstherapie
     
     

3) Sicherung der Basisversorgung durch Stabilisierung der Lieferketten

Je länger und internationaler die Lieferketten in der Arzneimittelproduktion werden, desto größer wird das Risiko von Lieferengpässen. Deshalb muss Versorgungssicherheit durch resiliente Lieferketten und gezielte Anreize für die Produktion in Europa und Deutschland abgesichert werden. Dabei setzt die Pharmabranche verstärkt auf die Förderung von Produktion in Deutschland und Europa. Insbesondere bei der Basisversorgung, beispielsweise mit Antibiotika und anderen wichtigen Arzneimitteln für alle Altersgruppen, brauchen die Pharmaunternehmen ein auskömmliches Preisniveau, um die Versorgung sicherzustellen

Dafür setzt sich Pharma Deutschland ein:

  • Absicherung der Arzneimittel- und Medizinproduktebasisversorgung durch stabile Lieferketten und Anreize für inländische und europäische Produktion
  • Neue Anreizstrukturen unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten in den sozialrechtlichen Regelungen und im Vergaberecht
  • Flexibilisierung der Regelung zur verpflichtenden erweiterten Bevorratung von 6 Monaten für rabattierte Arzneimittel im SGB V
  • Überprüfung der Preismechanismen, damit Neuregelungen wie z.B. für Kinderarzneimittel nicht durch andere bestehende Instrumente ins Gegenteil verkehrt werden, Genehmigungsprozesse für neue Produktionen effizienter gestalten
     
     

4) Verantwortungsvolle Abwasserpolitik ohne einseitige Belastungen des Gesundheitssystems

Es gibt kaum ein Gut, dass so wichtig ist, wie sauberes Wasser. Die Anfang November auf EU-Ebene verabschiedete Kommunale Abwasserrichtlinie (KARL) ist deshalb eine grundsätzlich begrüßenswerte umweltpolitische Maßnahme. Allerdings wird darin festgelegt, die Kosten für die Beseitigung von Spurenstoffen, die aus vielen verschiedenen Branchen und Industrien stammen, ausschließlich auf die Pharma- und die Kosmetikbranche abzuwälzen. Eine faire Lastenverteilung zwischen allen Beteiligten sollte auf klaren, transparenten Regeln und ohne unverhältnismäßige Belastungen einzelner Branchen basieren.

Es ist zu verhindern, dass eine umweltpolitische Maßnahme zur größten Gefahr des ohnehin schon gestressten Gesundheitsfinanzierungssystem und der anfälligen Arzneimittelversorgung wird. Den Pharmaunternehmen werden nach dem Prinzip der erweiterten Herstellerverantwortung ein Großteil der Finanzierung einer 4. Abwasserreinigungsstufe in Deutschland erhebliche Kosten entstehen, von denen insbesondere Generika-Hersteller betroffen sein werden, und das bei einem ohnehin schon enormen Druck auf Arzneimittelpreise in Deutschland.

Dafür setzt sich Pharma Deutschland ein:

  • Langfristiger Schutz der Wasserressourcen durch eine nachhaltige und gerechte Abwasserbewirtschaftung
  • Konsequente Umsetzung der Erweiterten Herstellerverantwortung über ein faires Finanzierungsmodell, mit klaren Regelungen zur Lastenverteilung, an dem alle relevanten Sektoren beteiligt werden
  • Förderung innovativer Abwassertechnologien: Unterstützung von Forschungsinitiativen, die auf die Entwicklung und den Einsatz moderner Filtertechniken abzielen, um Rückstände effektiv zu reduzieren
  • Harmonisierung der nationalen Umsetzung: Die Bundesregierung sollte auf eine Harmonisierung der nationalen Umsetzung der Kommunalabwasserrichtlinie durch die einzelnen Mitgliedsstaaten drängen, um größere Verwaltungsaufwände und Inkonsistenzen in der Umsetzung zu vermeiden.
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